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Komerzialisierung der Szene - Die Toxicator 2015

Von Andre Michelberger am 10. Dezember 2015

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Auch dieses Jahr fanden sich wieder tausende feierwütige Menschen in der Maimarkthalle Mannheim ein, um gemeinsam beim letzten Festival des Jahres ordentlich nach alter Ravermanier zu feiern.
Auch ich war dieses Jahr wieder dort, allerdings diesmal nicht ausschließlich nur um zu feiern,
sondern auch um mir ein Bild davon zu machen, ob es stimmt weswegen einige alten Hasen der Raverszene in letzter Zeit solche einen Groll hegen.

Bei der Anfahrt auffällig war dieses Jahr vor allem die Zahl der Polizeikräfte, welche rund um das Maimarktgelände patrouillierten. Sicher hatte dies vor allem mit der politischen Situation und den Ereignissen in der Welt zutun, aber wohl auch mit der Anzahl an Menschen aufgrund der ausverkauften Veranstaltung.

Die Taschen- sowie Kartenkontrolle fanden dieses Jahr nicht wie in den verganenen Jahren in der Maimarkthalle, sondern in Zelten auf dem Maimarktgelände statt.
Dies machte allerdings keinen all zu großen Unterschied, es ging wie sonst auch gewohnt "gemütlich" zu.

Als wir es dann in die Halle geschafft hatten wurde es ungewohnt eng.
Nach meinen ersten drei Toxicator's, 2011, 2012 und 2013, konnte ich 2014 leider nicht dort sein.
aber was sich in diesen einen Jahr so alles ändern kann, hat mich dann doch erschrocken.
Wo in den vergangenen Jahren knapp 8000 bis 9000 (fast ausschließlich nur "Raver") gefeiert hatten, waren es in diesem Jahr knapp 12000 Menschen.
Darunter wie ich leider feststellen musste, unzählige "Hipster" der Generation Turnbeutel, die sich leider überhaupt nicht an die "Szene anpassten" und keine Ahnung hatten, wie man sich auf einer solch einer Veranstaltung zu verhalten hat.

So wurde man früher auf den Floors dezent beiseite gebeten bzw. ein wenig geschoben wenn jemand den Floor verlassen wollte. Heute allerdings muss man ständig damit rechnen hin und her gedrückt zu werden, von Leuten welche alle 10 Minuten den Floor wechseln, weil sie es wohl nicht gewohnt sind, dass ein Track auch mal länger als nur eine Minute Intro, und einer Minute Drop laufen kann.

Die Aufmachung der Bühnenkonstruktionen war wie in den vergangenen Jahren sehr ansehnlich und entgegen meiner Erwartungen wurde immerhin auf unnütze Pyrotechnik und völlig übertriebene CO2 Kanonen verzichtet. Allerdings schien bei den ersten Sets entweder ein sehr gelangweilter, oder garkein Lichtoperator anwesend gewesen zu sein. So blinkte das Licht anfangs nicht nur in den Drop's mit immergleichen Lichtszenen, sondern auch in so manchem Intro, was an solchen Stellen vollkommen unpassend war.

Auch musikalisch waren so manche gespielten Titel eine ganz neue Erfahrung für mich. Man selbst steht da und bekommt das Gefühl der Einzige zu sein, der nicht nur da steht um auf den Drop zu warten.
Die vom MC heruntergeleierten Phrasen, welche man vielleicht von den ganzen kommerziellen EDM Festivals kennt und die nur dazu dienen das "gemeine Feiervolk" irgendwie bei Laune zu halten, machten das Ganze auch nicht besser.

Immerwieder die Aufforderung die Hände in die Luft zu strecken,
damit auch diejenigen, welche der Szenemusik nicht sonderlich affin sind, wissen dass jetzt gerade ein emotionaler Part des Tracks läuft.

Und als würden die Buld-Up's, welche ohnehin früher in diesem typischen EDM Style nie in Genres wie Hardstyle zu hören waren, den Drop nicht ausreichend ankündigen, gibt der MC natürlich mit der Phrase "3,2,1,Go" (wahlweise auch "3,2,1,Jump"),
auch dem letzten Menschen auf der Tanzfläche zu verstehen, dass jetzt gleich der Drop beginnt und er doch bitte hysterisch auf und ab hüpfen soll.

Das ganze führt dazu, dass man sich nicht wie früher von der Musik treiben lässt und feiert wie man es am liebsten tut, sondern dass man sich von dem MC auf der Bühne in Echtzeit erklähren lassen muss, wie man anscheinend richtig feiert.
Wenn man dann doch so feiert wie man sich persönlich am besten fühlt, erhascht man auch noch mahnende Blicke von den ganzen Hipstergrüppchen,
die einem damit wohl zu verstehen geben wollen, dass man gerade etwas falsch macht weil ja Alle gerade das tun, was der MC von ihnen verlangt.

Was mir dieses Jahr zusätslich extrem aufgefallen ist, sind die horenden Preise, die mittlerweile auf I-Motion Events herrschen.
Wo man früher noch 2 Euro, und bis vor zwei Jahren 3 Euro für sein Wiedereinlassbändchen gezahlt hat, so sind es heute 4 Euro. Auch die Getränkebons sind heute im Umtausch 1:1 (1 Bon = 1 Euro).

Unterm Strich bekommt man immer mehr das Gefühl, dass I-Motion ihre Events fast ausschließlich nur noch als Geldmaschine sehen. Das Line-Up und der allgemeine Anspruch eines Raves werden immer schlechter.

Als wir dann schon ein paar Stunden am feiern waren, begaben wir uns in den Bereich zwischen den Floors.
Dort wo früher hunderte Bänke, ein paar Essensstände und 3-4 Mercandise Stände waren, finden sich heute unzählige Ramschläden, die so ziemlich alles verkaufen in das LED's eingebaut sind um nutzlos in der Gegend herumzublinken. In der überfüllten Halle hat man so kaum noch die Möglichkeit sich einfach so für ein paar Minuten hinzusetzen.
Stattdessen muss man lange warten und hoffen, dass demnächst irgendwo eine der wenigen Bänke frei wird.

Für mich war die Toxicator 2015 die bittere Erkenntniss, dass Genres wie Hardstyle oder Hardcore wohl keine Szenegenres mehr sind und Events wie die Toxicaor oder auch die Mayday immer mehr von Menschen überrannt werden, welche die Kultur dessen was diese Events früher einmal waren, bald mehr oder weniger verdrängen werden.

Übrig bleiben einem da nur noch die abgeranzten Schuppen, welche man als Raver so lieben gerlernt hat und die Hoffung, dass zumindest diesen Clubs nicht irrgendwann einmal dasselbe passiert.